Tot und lebendig zugleich: Physiker haben der berühmten Analogie von „Schrödingers Katze“ sieben weitere Leben verliehen. Denn sie haben erstmals eine Quantenüberlagerung auch bei einem Atom mit multiplen Spinzuständen eindeutig nachgewiesen. In ihrem Experiment bildet ein Antimon-Atom mit acht Spinzuständen diese „Quantenkatze“. Eine neue Messmethode zeigt, dass auch solche Spins eine Überlagerung aufweisen – und dass diese sich eindeutig beweisen lässt. Das eröffnet neue Möglichkeiten auch für das Quantencomputing.
Das berühmte Gedankenexperiment von Schrödingers Katze erklärt das quantenphysikalische Phänomen der Überlagerung: Eine Katze sitzt in einer Box mit radioaktivem Material und Gift. Ereignet sich ein Kernzerfall, stirbt sie. Doch ob das der Fall ist, zeigt sich erst beim Nachschauen. Vorher ist ihr Zustand unbestimmt – sie ist tot und lebendig zugleich. Ähnlich verhält es sich bei einem Quantenteilchen in Überlagerung: Erst die Messung legt seinen Zustand fest.
Physiker haben diese „Katzenzustände“ schon bei verschiedensten Teilchen nachgewiesen. Auch eine mobile Version sowie eine „Quantenkatze“ in zwei Kästen gleichzeitig wurden schon umgesetzt.
Acht Spinzustände statt nur 0 und 1
Doch was ist, wenn ein Quantenteilchen mehr als zwei Zustände hat? Das ist beispielsweise bei bestimmen Calcium-Ionen und Antimon-Atomen der Fall. „Antimon ist ein schweres Atom mit einem starken magnetischen Kernspin. Dadurch kann sein atomarer Spin acht verschiedene Richtungen einnehmen“, erklärt Koautor Xi Yu von der University of New South Wales (UNSW) in Sydney. „Das verändert das Verhalten dieses Systems völlig.“
Konkret bedeutet dies: Für die quantenphysikalische Überlagerung gibt es beim Antimon nun nicht mehr nur 0 und 1, sondern mehrere denkbare Kombinationen. „Wenn sich die in entgegengesetzte Richtung zeigenden Antimon-Spins überlagern, gibt es zwischen ihnen multiple Quantenzustände, die ebenfalls eine Überlagerung zeigen können“, erklärt Yu. Der Vorteil: Solche Atome mit multiplen Spinzuständen können in Quantencomputern als Qudits eingesetzt werden – Einheiten, die mit mehr als 0 und 1 rechnen.
Antimon-Atom als „Quantenkatze“
Das Problem jedoch: Bisher war strittig, ob solche Atome mit multiplen Spinzuständen wirklich eine Quantenüberlagerung zeigen. Denn gängige Tests für diese Quantenzustände funktionieren entweder nicht bei Einzelteilchen oder sie erfordern parallele oder wiederholte Messungen mit schwer nachweisbaren Parametern, wie die Physiker erklären. Das Team um Yu und Erstautor Arjen Vaartjes von der UNSW hat daher nach einer besseren Prüfmethode gesucht – und sie gefunden.
„Wir haben erstmals ein Protokoll entwickelt, um die Quantennatur eines Spinzustands durch Messungen der Spin-Präzession nachzuweisen“, berichten die Physiker. Bei der Präzession handelt es sich um eine Taumelbewegung der Spins, wenn diese auf ein externes Magnetfeld reagieren. Für ihr Experiment nutzten Vaartjes und seine Kollegen einen Antimon-Atomkern mit acht Spinzuständen als reales Äquivalent zu Schrödingers Katze.
Diese atomare „Quantenkatze“ platzierten die Physiker in einen eigens dafür entwickelten Quantenchip aus Silizium. Er ermöglichte es dem Team, die Spins des Antimons zu manipulieren und gleichzeitig auszumessen.
Interferenzmuster verrät Überlagerung
In den Messungen zeigte sich ein spezifisches Interferenzmuster, das die quantenphysikalische Überlagerung der Spins anzeigte. „Dieses oszillierende Muster entsteht erst durch die Quanteninterferenz der überlagerten Katzenzustände“, erklären Vaartjes und sein Team. „Diese nicht-klassischen Zustände verstoßen signifikant gegen die Grenzen der klassischen Physik, sie liegen um 19 Standardabweichungen über der Grenze.“
Damit hat das Experiment erstmals nachgewiesen, dass auch Teilchen mit multiplen Spins in den Zustand der Überlagerung gebracht werden können. Im Test detektierten die Physiker diese Superposition bei verschiedenen Paaren der acht Antimon-Spins. „Unsere metaphorische Quantenkatze hat damit sieben Leben“, sagt Yu.
Chance für robustere Quantencomputer
Relevant ist dieser Nachweis vor allem für künftige Quantencomputer. Denn wenn sie Qudits als Recheneinheiten nutzen, könnten sie robuster gegen Störeinflüsse werden. Das würde auch die Fehleranfälligkeit der Quantenrechner senken: Bei einem Qudit mit acht Spinzuständen wären sieben Fehler nötig, um eine 0 in eine 1 zu verwandeln, wie die Physiker erklären.
„Um in der Metapher von Schrödingers Katze zu bleiben: Unsere Katze bekommt nur einen Kratzer und stirbt nicht gleich“, erklärt Seniorautor Andrea Morello von der University of New South Wales. „Wenn wir dann diesen Kratzer sehen, wissen wir, dass es Probleme gab. Wir können dann nachschauen, woran es liegt, bevor die Katze weiter Schaden nimmt.“ Die Physiker hoffen, auf diese Weise Qudit-Quantencomputer zu entwickeln, die eine besonders hohe Fehlertoleranz aufweisen – dies gilt als Voraussetzung für praktisch nutzbares Quantenrechnen in größerem Stil. (Nature Physics, 2025; doi: 10.1038/s41567-024-02745-0)
Quelle: Nature Physics, University of New South Wales